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Donnerstag, den 31. Dez. 2009

US-Gerichte: Kläger, geh heim!  

.   Der Usurpierung der Zuständigkeit werden US-Gerichten bezichtigt. Doch warfen die U.S. Courts 2009 wie selten zuvor Klagen aus den USA ins Ausland zurück. Dieses Jahr setzten sie mehrere Meilensteine zur Eindämmung der Klagewut in den USA, insbesondere bei Prozessen, die im Ausland geführt werden sollten.

Der Oberste Bundesgerichtshof ging mit einer Entscheidung voran, die alle Zivilprozesse betrifft. Der Supreme Court of the United States in Washington, DC, schraubte am 18. Mai 2009 im Iqbal-Fall die Anforderungen an die substantiierte Klage hoch; Ashcroft v. Iqbal, Az. 07-1015. Das Echo in den Untergerichten war prompt und deutlich zu vernehmen.

Ein etwas weniger ausgeschlachteter Präzedenzfall des Jahres ist der Millisekundenfall. Wenn ein ausländischer Geldtransfer in Dollar lautet und deshalb nur eine Millisekunde durch das US-Bankwesen flitzt, begründete dieser USA-Besuch im Seerecht einen dinglichen Gerichtsstand in den USA.

Diese Rechtsprechung widerrief das Bundesberufungsgericht des zweiten Bezirks in New York City ausdrücklich; The Shipping Corporation of India Ltd v. Jaldhi Overseas Pte Ltd., Az. 08-3477. Der Streit zwischen Parteien im Ausland hat in den USA nichts zu suchen, befand das Gericht am 16. Oktober 2009.

Noch weiter gingen die Gerichte, wenn sie ihre Zuständigkeit bejahen mussten, der Streit jedoch vornehmlich ins Ausland begann. Nach dem Forum non conveniens-Grundsatz setzten sie vermehrt ihr Ermessen ein, um selbst Amerikaner an ausländische Gerichte zu verweisen.

Nicht nur die Intensität der FNC-Verweisungsbeschlüsse, auch das Spektrum der USA-fremden und ausgewiesenen Sachverhalte nahm 2009 zu. Nur selten wurde ein Ermessensmissbrauch bei der Ausweisung von den Obergerichten gerügt. Im German American Law Journal ist die FNC-Entwicklung mit zahlreichen Urteilen belegt.

Wer vor einem US-Gericht verklagt wird, hat natürlich als Ausländer keinen leichten Stand. Einfach ist es auch nicht, die Gerichte von der Anwendbarkeit dieser Grundsätze im Einzelfall zu überzeugen. Der Aufwand bleibt gewaltig, doch ist der Lichtstrahl am Endes des Tunnels im Jahre 2009 viel heller geworden.

Wer die Gerichtsbarkeit der USA unter Beschuss nimmt, sollte aus Washingtoner Sicht auch überlegen, wie man ausländische Kläger davon abhält, ihren Streit in die USA zu exportieren. Das Problem beschränkt sich ja nicht auf Menschenrechtsklagen von Argentiniern gegen deutsche Autohersteller, die das US-Gericht wegverweisen muss; Bauman v. DaimlerChrysler Corp., DaimlerChrysler AG.

Auch die in Deutschland weitverbreitete Ansicht, man solle doch einfach einen deutschen Sachverhalt in den USA vortragen, um hier mehr Schmerzensgeld und punitive Damages zu fordern, schreit nach Richtigstellung. US-Gerichte sind ebenso wenig eine Superrevisionsinstanz der deutschen Gerichtsbarkeit wie ein Füllhorn für von der gelben oder sonstigen, unsorgfätig recherchierenden Presse verblendete Kläger.


Donnerstag, den 31. Dez. 2009

Getwittertes Fallrecht: USA  

.   Aus den Bundesgerichten der USA:
Esposito v. Home Depot U.S.A., Inc., Produkthaftungsprozess und Sachverständiger, 1st Cir., 30. Dez. 2009, http://bit.ly/4xXfNb

Wilner v. National Security Agency, Manche Ämter dürfen vage antworten, 2nd Cir., 30. Dez. 2009, http://bit.ly/4K1Ml7

In re United States, USA als Treuhänder muss Indianern Unterlagen geben, Beweisrecht, CAFC, 30. Dez. 2009, http://bit.ly/6mZ94B

Gerald Molnar v. Care House, Haftung für falsche Missbrauchsklage, 6th Cir., 29. Dez. 2009, http://bit.ly/81IQwr


Mittwoch, den 30. Dez. 2009

TM: Wenige Worte ersetzen ein Bild  

.   Bei Webanbietern darf das US-Markenamt nicht stur ein Specimen, Verwendungs­nachweis, mit Bild verlangen.

Als es ein Specimen mit der angemeldeten Wortmarke, einer Beschreibung der Ware sowie einer Bestellschalt­fläche in Format einer Webseiten­abbildung im Fall In re Michael Sones, Az. 09-1140, zurückwies, hatte es die Präzedenz­fälle falsch verstanden, bestimmte das Bundes­berufungsgericht des Bundesbezirks in Washington, DC, am 23. Dezember 2009 unter Verweis auf Lands' End, Inc. v. Manbeck, 797 F. Supp. 511 (E.D. Va. 1992).

Wichtiger als das Bild ist die mit einer Transaktions­schaltfläche verbundene, gut erkennbare Darstellung der Marke mit der Ware, wodurch die Ware mit dem Anbieter als Quelle verknüpft wird. Dies entspreche dem Zweck der Marke, Waren zu unterscheiden und dem Kunden die Quelle bekannt zu geben.

Auch bei traditio­nellen Geschäften werde nicht verlangt, dass die Marke mit dem Bild der Ware als Specimen vorgelegt werde. Dort reiche schon eine Etikette, auf der die Ware nicht dargestellt werden muss, wenn sie handels­üblich, für den Kunden unsichtbar verpackt sei.

Im Chemikalien­handel reiche selbst die Verwendung der Marke auf einem Messestand aus, wo der Kunde nicht einmal in die Nähe der Ware oder ihrer Verpackung gerate. In re Shipley Co., 230 USPQ 691, 692 (TTAB. 1986). Im Restaurant genüge die Darstellung im Menü - auf dem Sandwich dürfe sie fehlen; Marriott, 459 F.2d at 526-27. Das Markenamt muss nun erneut prüfen:
On remand, the PTO must consider the evidence as a whole to determine if Sones' specimen sufficiently associates his mark with his charity bracelets so as to "identify and distinguish the goods." … Relevant factors include, for example, whether Sones' webpages have a "point of sale nature," … and whether the actual features or inherent characteristics of the goods are recognizable from the textual description, given that the more standard the product is, the less comprehensive the textual description need be. … The term "charity bracelet" is listed in the PTO's Acceptable Identification of Goods and Services Manual under Class Code 014. … Though not dispositive, the "use of the designation 'TM' … lends a degree of visual prominence to the term." … These and other factors will help determine whether Sones' mark "signifies the source and quality of the goods." AaO 11.


Mittwoch, den 30. Dez. 2009

Dienstag, den 29. Dez. 2009

Haftungsimmunität des Webforums  

.   Das Forum im Internet haftet für eigene Erklärungen, doch nach §230 des Communications Decency Act of 1996 für die der Besucher nicht, wiederholte das Bundesberufungsgericht des vierten US-Bezirks am 29. Dezember 2009:
Recognizing that the Internet provided a valuable and increasingly utilized source of information for citizens, Congress carved out a sphere of immunity from state lawsuits for providers of interactive computer services to preserve the "vibrant and competitive free market" of ideas on the Internet. 47 U.S.C.§ 230(b)(2); see also Zeran, 129 F.3d at 330. The CDA bars the institution of a "cause of action" or imposition of "liability" under "any State or local law that is inconsistent" with the terms of § 230. 47 U.S.C. § 230(e)(3). As relevant here, § 230 prohibits a "provider or user of an interactive computer service" from being held responsible "as the publisher or speaker of any information provided by another information content provider." Id. § 230(c)(1).
Der ihm vorgelegte Sachverhalt betrifft ein Verbraucherforum und Kritik seiner Besucher an einem Autohändler. Im Fall Nemet Chevrolet, LTD v. Consumeraffairs.Com, Inc., Az. 08-2097, bestimmte es, dass die Immunitätsfrage logischerweise im Frühstadium des US-Prozesses zu klären ist.

Das Gericht betonte den Unterschied der gegrüften Webseite von der im Roommates.com-Fall; Fair Hous. Council v. Roommates.com, LLC, 521 F.3d 1157, 1162 (9th Cir. 2008). Dort hatte das Forum Fragen an Besucher gerichtet, zum Beispiel nach Alter und Geschlecht, die rechtswidrige Wirkung entfalteten und ohne deren Beantwortung Benutzer das Forum nicht nutzen konnten. Consumeraffairs.com hingegen verlangt legale Angaben für legale Zwecke, zu denen auch die klägerbehauptete Informationssammlung für Sammelklagen zählt.

Auch die Nichtidentifizierbarkeit von Forumsbesuchern und die daraus abgeleitete Klägerbehauptung, diese geschäftsschädigenden Einträge seien vom Forum erfunden und damit eigene Inhalte des Consumeraffairs.Com-Forums, lässt die Richtermehrheit nicht für eine Immunitätsausnahme gelten; aaO 14. Die Mindermeinung sieht darin hingegen eine Tatsachenfrage, die im weiteren Verfahren zu klären ist, sodass die Klage nicht allein aus Immunitätsgründen abgewiesen werden darf; aaO 20.







CK
Rechtsanwalt u. Attorney Clemens Kochinke ist Gründer und Her­aus­ge­ber des German Ame­ri­can Law Journal in der Digitalfassung so­wie von Embassy Law. Er ist nach der Ausbildung in Deutschland, Mal­ta, Eng­land und USA Jurist, vormals Referent für Wirt­schafts­politik und IT-Auf­sichtsrat, seit 2014 zudem Managing Part­ner einer 75-jäh­ri­gen ame­ri­ka­nischen Kanzlei für Wirtschaftsrecht. Er erklärt deutsch-ame­ri­ka­ni­sche Rechts­fra­gen in Büchern und Fachzeitschriften.

2014 erschien sein Kapitel Vertragsverhandlung in den USA in Heus­sen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Ver­trags­ma­na­ge­ment, und 2012 sein Buchbeitrag Business Nego­ti­ati­ons in Ger­ma­ny in New York, 2013 sein EBook Der ame­ri­ka­ni­sche Vertrag: Planen - Ver­han­deln - Schreiben.

Die meisten Mitverfasser sind seine hochqualifizierten, in das amerikanische Recht eingeführten Referendare und Praktikanten.